Meldeauskünfte von Behörden an Auskunfteien, Rechtsgrundlage?

Guten Morgen Kolleginnen und Kollegen,

mit Erschrecken habe ich festgestellt, dass ein Meldeamt einer rheinland-pfälzischen Kommune offenbar seit Jahren umfangreichen Auskunftsersuchen von Inkassounternehmen, bzw. Auskunfteien bereitwillig nachkommt. Der neuen Sachgebietsleiterin war diese Vorgehensweise suspekt und hat eine Anfrage über die Legitimität an mich gestellt. Sie hat mir mitgeteilt, dass die Kolleg*innen die Rechtmäßigkeit nicht in Frage gestellt haben, weil in der Anfrage ein Aktenzeichen angegeben war. Wie ich finde, war das sehr naiv.

Da ich weiß, dass Auskunfteien wie die Schufa offenbar in unserem Land einen rechtlichen “Sonderstatus” genießen, würde ich gerne wissen, ob Sie ebenfalls schon solche Anfragen hatten und wie Sie entschieden haben.

Mein Ansatz:
Nur ein offenbar internes Aktenzeichen bildet nicht die Rechtsgrundlage einem privaten Unternehmen umfangreiche Auskünfte über die personenbezogenen Daten von Bürgern zu übermitteln. Zwar wurde hier ein berechtigtes Interesse nach DSGVO angegeben, aber welches soll das sein? Und die Rechtsgrundlage?
Beispiel: wenn mir ein Nachbar 100 Euro schuldet und plötzlich wegzieht, habe ich dann einen Rechtsanspruch gegenüber des Meldeamtes mir Auskünfte geben zu lassen, wo der Nachbar jetzt wohnt, ob er ein Gewerbe angemeldet hat, wenn ja, wann, oder ober es wieder abgemeldet hat ?
Ich finde nein. Ebenso bin ich der Meinung, dass im vorliegenden Fall die Creditreform als Privatunternehmen einer Privatperson gleichzusetzen ist. Den legitimen Anspruch auf eine Datenauskunft könnte nur der Rechtsanwalt des Gläubigers haben, unter Vorlage eines gerichtlichen Titels.

Jetzt bin ich sehr gespannt auf Ihre Meinungen. Vielen Dank.

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Wenn ich jemandem Geld geliehen und nicht zurückbekommen habe, muss ich es binnen 3 Jahren einfordern. Wenn derjenige sich durch Umzug meinen Zahlungserinnerungen entzieht, kann ich ein Mahnverfahren oder eine Zahlungsklage nur anstrengen, wenn ich seine Adresse ermittle. Dabei helfen die Meldebehörden in der Regel ohne Probleme. Für mich als Privatperson gilt die DSGVO dann sowieso nicht. Ich will mit den Daten ja keinen Gewinn machen, sondern mein Geld zurück.

Bei den Aufträgen von Inkassounternehmen handelt es sich dagegen in der Regel um Unternehmen, die ein Mahnverfahren gegen Privatpersonen anstrengen. Hier gilt die DSGVO zwar, aber sie schützt ja nicht Straftaten. Wer sich der Zahlung dadurch entzieht, dass er umzieht und “untertaucht” will offensichtlich nicht zahlen. Und das wäre Betrug. Da kann sich niemand auf Datenschutz berufen, wenn ein Inkassounternehmen die Anschrift ermitteln will, da dies ein berechtigtes Interesse ist.

Das kann die Rechtsgrundlage für Inkassounternehmen sein. Aber warum soll die Medebehörde die Daten herausgeben (dürfen)?

Irgendwas aus dem Bundesmeldegesetz. Das wird Bedingungen für Datenübermittlungen an Dritte enthalten. Die sollte die Behörde aber selbst kennen. (Nachlesen und in Fachkreisen auslegen können.)

D., der sich nicht immer mit Fachvorschriften auskennen wollen muss. Die weiß man doch, wenn man irgendwas anfängt. Auch als Behörde.

Danke Adelheid.
Da es keinerlei Angaben über die Gründe der Anfrage gibt, kann man nur spekulieren. Aber das dürfen wir nicht.
U.a. sind Angaben zu Gewerbeanmeldung am, Gewerbeabmeldung am, Geschäftszweck, Firmenanschrift, Privatanschrift, usw. enthalten. Aber selbst eine Privatperson darf diese Angaben nicht beim Meldeamt abfragen, auch bei berechtigtem Interesse, wie zum Beispiel Geldforderungen. Diese Anfrage müsste das Mahngericht stellen.
Wie gesagt, in vorliegendem Fall fehlt mir einfach die Rechtsgrundlage.
Eine Rechtsgrundlage wäre für mich ein richterlicher Beschluss, zum Beispiel ein Vollstreckungstitel, oder zumindest die Beauftragung eines Gläubigers mit entsprechendem Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung. Außerdem muss festgelegt werden, ob und in welchem Umfang die Daten an Dritte weitergegeben werden. Der/die Betroffene ist darüber nach DSGVO unverzüglich und in verständlicher Sprache zu informieren. Von den Angaben zu Löschfristen möchte ich an dieser Stelle gar nicht reden.

Bei dem geschilderten Fall handelt es sich um eine Übermittlung von einer öffentlichen Stelle an Dritte.
Regelung im BDSG §25 Abs.2:
(2) Die Übermittlung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen an nicht- öffentliche Stellen ist zulässig, wenn

  1. sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist und die Voraussetzungen vorliegen, die eine Verarbeitung nach § 23 zulassen würden,

  2. der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat oder

  3. es zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und der Dritte sich gegenüber der übermittelnden öffentlichen Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

Im Bundemeldegesetz findet man zu diesem Sachverhalt auch was im § 45 Erweiterte Melderegisterauskunft… da steht auch etwas von “berechtigtem Interesse”.

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Vielen Dank Beabel, das hilft schon mal ungemein weiter.
Bleibt jetzt nur abzuwägen, ob die berechtigten Interessen des Dritten den Schutz der persönlichen Daten des Betroffenen überwiegen. Immerhin kann dem Betroffenen ein erheblicher Schaden dadurch entstehen.
ich werde mich wohl intensiver damit auseinander setzen müssen.

Ok. Ich dachte versehentlich, dass das BDSG einem Kollegen bereits bekannt sein müsste. Es bleibt nichtsdestotrotz dabei, dass laut § 25, Abs. 2 eine Übermittlung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist. Wie ich schon sagte…

Die erweiterte Meldeauskunft wird hier nicht so viel beitragen können, da hier Daten zu Gewerbetreibenden keine Rolle spielen. Das BMG schreibt hier ganz genau vor, was weitergegeben werden darf und das trifft die Privatperson.
Die Auskunftei möchte hier aber noch mehr haben, als die bloße Adresse. Um tatsächlich Mahnungen ausstellen zu können reicht es meines Erachtens schon aus, dass die Adresse genannt wird. Gewerbeanmeldungen bzw. Abmeldungen sollten dabei keine Rolle mehr spielen. Hier sollte natürlich der Grundsatz der Datensparsamkeit angewendet werden und nur das nötige herausgegeben werden, wenn es denn schon sein muss.
Und damit kommen wir schon zur Frage was ist das berechtigte Interesse. Da ich in Bayern arbeite, kenne ich mich vornehmlich mit der Meinung des BayLfD aus. Dieser hat eine gute Arbeitsmappe zu diesem Thema erstellt. Hier mal der Link zu den Dokumenten https://www.datenschutz-bayern.de/datenschutzreform2018/. Das richtige zu diesem Thema findet sich unter Einzelthemen “Das allgemeine Recht auf Auskunft im Bayerischen Datenschutzgesetz”. Ab Seite 35 im Dokument geht es um das berechtigte Interesse. Es wird vorangestellt, dass andere Bundesländer mit Regeln zu der Informationsfreiheit eventuell abweichen können. Trotzdem ist hier der Begriff des Berechtigten Interesses gut eingefangen.
Kurz gesagt soll man sich bei solchen Anfragen immer Fragen: Wer will was warum wozu?

In diesem Thread haben wir also Wer: Auskunftei, will was: Daten zu Gewerbetreibenden u.ä., warum: ist nicht ganz ersichtlich (einfach so darf natürlich nicht sein), wozu: ist nicht ersichtlich (darf nicht für Gewinnabsichten oder zum eigenen Vorteil genutzt werden).

Finde ich immer ganz hilfreich, wenn jemand mit solchen Anfragen bei mir ankommt. In der Ausführung des BayLfD wird aber auch deutlich, dass es für die Belegung des berechtigten Interesses nicht unbedingt eine Ukrunde oder sowas braucht. Ich nehme also an, dass daher auch nicht unbedingt eine Anfrage des Mahngerichts vorliegen muss.

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ich spekuliere nicht, sondern beantworte deine allgemeinen Spekulationen mit allgemein geltenden Regelungen.
Und es besteht kein Zweifel, dass jede Privatperson Adressen von anderen Privatpersonen bei der Meldebehörde gegen eine geringe Gebühr anfragen kann. Wer’s nicht glaubt, kann dort einfach nachfragen.

Ich denke du hast @dsb_wollst falsch verstanden.
Privatpersonen dürfen durchaus eine einfache Meldeauskunft starten. Sie bekommen dann bspw. die Adresse der betroffenen Person wenn ein berechtigtes Interesse besteht und kein Sperrvermerk eingetragen wurde. Wenn jetzt eine Auskunftei oder ein Inkassobüro von einer Privatperson beauftragt wurde, dann muss dieses Unternehmen das bei der Meldebehörde nachweisen können. Eine bloße Anfrage von der Auskunftei ohne einen Grund bzw. berechtigtes Interesse, muss rundheraus abgelehnt werden. @dsb_wollst wird daher nur ausdrücken wollen, dass bei ihm in den meisten Fällen eben kein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden kann bzw. nur darüber spekuliert werden kann, ob ein solches vorliegt. Man wird natürlich annehmen, dass hinter der Anfrage Schulden stecken, kann das aber nicht nachprüfen und hat auch keine Beweise. Die öffentliche Stelle muss solche Auskunftsersuchen eigentlich Dokumentieren und auch die Entscheidungsbegründung speichern, um für den Fall der Fälle nachweisen zu können, dass sie alles geprüft haben und Daten nicht auf bloße Spekulation, nur weil Inkasso-Büro drauf steht, herausgegeben haben.

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Soweit ich weiß dürfen Meldeämter auch besondere Daten wie die Relegion oder Parteiweitergeben, da die Beträge über Dritte eingezogen werden oder man im Wahlkampf angeschrieben werden kann.

An diesen Stellen kann man widersprechen - also ja es gibt Regeln zur Datenweitergabe an Dritte.

Das ist teils richtig. Die Religion kann nicht weitergegeben werden, da die Meldebehörden diese Information nicht abfragen und daher auch nicht in der Datenbank haben. Höchstens die Standesämter haben sowas in ihren alten Daten, aber da ist die Herausgabe stärker beschränkt. Die Beitragszahlungen für Religionszugehörigkeit werden wahrscheinlich über das Finanzamt abgewickelt? Da kenne ich mich leider nicht aus.
Was du @joeDS wahrscheinlich meinst ist die Gruppenauskunft nach §46 BMG und §50 BMG Melderegisterauskunft in besonderen Fällen (Bspw im Rahmen einer Wahl). Beim §46 ist die wichtigste Voraussetzung ein öffentliches Interesse, wozu diese Daten genutzt werden sollen. Darunter fallen bspw. Datenweitergabe im Rahmen von flächendeckenden Umfragen zu einem bestimmten gesellschaftspolitischen Thema oder ähnliches. Beim §50 BMG dürfen nur bestimmte Daten von Gruppen herausgegeben werden. Es dürfen nicht alle Wahlberechtigten herausgegeben werden, sondern eben nur bestimmte Altersgruppen oder sowas. Dazu fällt in aller Regelmäßigkeit die Anschreiben der Neuwähler für Parteien oder eine Liste der Ü65 ebenfalls für Parteien. Unter §50 BMG fallen auch Altersjubiläen für die Presse und die Eintragung durch Adressbuchverlage ins örtliche Adressbuch.

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Ich vermute mal, dass nicht Pkt. 2 des BDSG, sondern eher Pkt. 3 relevant ist:
3. es zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist und der Dritte sich gegenüber der übermittelnden öffentlichen Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

Natürlich ist die Religionszugehörigkeit im Melderegister hinterlegt.
Es gibt einen automatischen Datenabgleich zwischen dem staatlichen und dem kirchlichen Melderegister.

LG Beatrix

Danke dir! Hatte ich übersehen :slight_smile:

Es freut mich sehr, dass der Beitrag so ausführlich diskutiert wird.
Wir alle haben unsere Ausbildung gehabt und dort haben wir gelernt, dass das berechtigte Interesse a) eine rechtliche Grundlage haben muss und b) eine Abwägung der Schutzwürdigkeit der zu verarbeitenden Daten gegenüber dem berechtigten Interesse vorgenommen werden muss. Wenn dem Betroffenen zum Beispiel mit der Datenverarbeitung ein hoher Schaden zugefügt werden kann, ist die Verarbeitung untersagt.
In meiner Anfrage geht es darum, dass die Creditreform unter Vorlage ihres eigenen Aktenzeichens umfangreiche Daten abfragt, dies mit einem berechtigten Interesse zu legitimieren, das in diesem Fall nur ein wirtschaftliches Interesse sein kann, denn die Beitreibung von Schulden, zum Beispiel, im Auftrag eines Gläubigers, bedarf ebenfalls einer Rechtsgrundlage. Zum Beispiel eines Aktenzeichens eines Vollstreckungsgerichtes. Zum Umfang der Daten schließe ich mich @DSB_kommunal an, gilt die Datenminimierungspflicht. Da gilt es zu prüfen welche Daten zur Erfüllung des Zwecks unbedingt notwendig sind. Als Datenschutzbeauftragter handele ich im Notfall immer zu Gunsten des Betroffenen, das ist meine Aufgabe.
Kennt denn jemand Urteile zu diesem Thema? Gibt es vielleicht in der Behörde/im Unternehmen eines Kollegen, oder einer Kollegin vielleicht eine Dienstanweisung zu diesem Thema?

Ja, und es gibt auch Stellen, Behörden, oder Unternehmen, die gemeinsam Verantwortliche sind, wie Finanzamt, Gesundheitsamt, usw. Oder die Parteien, Kirchen, usw. , aber auch Unternehmen, die als vertraglich verpflichteter Auftragsdatenverarbeiter fungieren. Die Creditreform gehört nicht dazu. Zumindest nicht bei uns.

Ich meine auch mal gehört zu haben, das Banken bestimmte Gebühren/Beiträge für andere Ämter Meldeamt oder sowas einbehalten. Ich denke es geht da um die Kirchensteuer…

P.S: HAbs gefunden - war aber nur zur Hälfte richtig - da es um Kapitalerträge geht und nicht die Kirchensteuer an sich - und das schon seit 2015
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/steuern-sparen/nachrichten/kirchensteuer-sparer-muessen-banken-sagen-woran-sie-glauben-12796834.html

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Vielen Dank @joeDS . Aber lasst uns bitte nicht zu weit vom Thema abkommen. Es geht um die Beauskunftung von Anfragen der Creditreform.

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Hier nochmal ein Auszug aus dem BDSG, der zwar die Kreditwürdigkeitsprüfung und das Scoring beinhaltet, aber man kann daraus auch Rückschlüsse auf den Umgang mit Anfragen von Auskunfteien ziehen:
Schutz des Wirtschaftsverkehrs bei Scoring und Bonitätsauskünften

Zur Info: In anderen europäischen Ländern wurde die Schufa zur Offenlegung ihres Berechnungsalgorithmus beim Scoring verurteilt. (Leider habe ich dazu noch keine näheren Informationen. Kennt jemand eine/n DSB z:B. aus Frankreich?)

Hier noch ein sehr interessanter und kompetenter Artikel, den ich von einer Kollegin einer Nachbar-VG erhalten habe. Falls sie hier mitliest, vielen Dank nochmals.
Was dürfen Auskunfteien nach der DSGVO?