Hallo,
zur Förderung der betrieblichen Gesundheit sollen die Fehlzeiten mitarbeiterbezogen ausgewertet werden (Anzahl Fehltage der letzten 12 Monate; Abwesenheitsquote) und die Auswertung den jeweiligen Führungskräften zur Verfügung gestellt werden (jeweils nur die ihrer eigenen Mitarbeiter). Diese sollen Fürsorgegespräche mit ihren Mitarbeitern durchführen, um langfristigen Ausfällen vorzubeugen. Hierbei soll es um die Identifikation von betrieblichen Ursachen gehen, durch deren Verbesserung krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert werden können. Bei krankheitsbedingten Fehlzeiten > 30 Tage in den letzten 12 Monaten, werden BEM-Gespräche angeboten.
Kann diese Auswertung und Weiterleitung im Rahmen der betrieblichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erfolgen? Also auf Basis einer Rechtsvorschrift, z.B. § 22 Abs.1 Satz 1 Nr. a) BDSG?
durch öffentliche und nichtöffentliche Stellen, wenn sie
erforderlich ist, um die aus dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte auszuüben und den diesbezüglichen Pflichten nachzukommen,
Das richtet sich m.E. nicht an den Arbeitgeber. Das richtet sich an “Sozial- und Sozialversicherungsbehörden”. Um ganz sicher zu gehen, müsste man Kommentare wälzen.
Rechtsgrundlage dürfte § 26 Abs. 1 sein. Der betriebliche Bezug ist bei Krankheitszeiten gegeben. Die Umsetzung muss verhältnismäßig sein. Kein Zwang zur Preisgabe von Krankheiten. Kein Zweifel an Freiwilligkeit etc.
Ist ein interessantes Thema. Bin gespannt, was die anderen sagen.
Hallo bdsb,
in erster Linie sind die Daten für die Arbeitszeiterfassung erhoben worden. Allerdings muss ich sie ja nutzen, um ein BEM durchführen zu können.
§ 22 gilt ja auch für nicht öffentliche Stellen: “durch öffentliche und nichtöffentliche Stellen, wenn sie”. Dazu gehören wir als Privatunternehmen / Arbeitgeber doch…
Ja, für BEM kann man sich wohl auf Rechtliche Verpflichtung bes. Kat. (Art. 6 Abs. 1 lit c ivm Art. 9 Abs. 2 lit g) berufen. Aber für alles andere eben nicht - so z. B. jedem Vorgesetzten alle Fehlzeiten seiner Mitarbeiter aufzubereiten, um mit dem Mitarbeiter über seine zwei Schnupfen-Tage im Juli reden zu können.
Wir sind auf der richtigen Spur: Zwecke. Wozu wurden die Daten zulässig erhoben?
BEM, Lohnfortzahlung (und alles, wozu wir noch konkrete Vorschriften finden) sind “lit. c + lit. g”.
Daneben wäre noch Art. 6 Abs. 1 lit. b + Art. 9 Abs. 2 lit. b denkbar. Zunächst für den Nachweis, entschuldigt zu fehlen und die vertragliche Arbeitsleistung nicht erbrigen zu können (“Pflicht aus dem Arbeitsrecht”). Zusätzlich evtl. im Zusammenhang mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
Aber auch “erforderlich”? (Sowohl für die Vertragserfüllung in Art. 6 als auch für eine Ausnahme vom Verarbeitungsverbot in Art. 9.)
Hier sehe ich große Risiken, in der Praxis das Ziel solcher Gespräche zu weit zu fassen; bzw. zu genau zu fragen; oder mit den Erkenntnissen Grenzen zu überschreiten und sie zu lang aufzubewahren. Das weicht dann von möglicherweise zulässigen Zwecken ab bzw. würde die Erforderlichkeitsprüfung nicht schaffen.
Wo wir gerade dabei sind: Art. 6 Abs. 1 lit. f i. V. m. Art. 9 irgendwas würde ebenfalls ein zuverlässiges Einhegen solcher Gespräche verlangen. Wer zu weit geht, verstärkt überwiegende Interessen der Betroffenen, so dass dieser Erlaubnistatbestand schnell ausscheiden würde.
Die Freiwilligkeit von Einwilligungen wäre bei diesem Thema sehr fraglich (§ 26 Abs. 2 BDSG). Führen diedarauf basierenden Daten einseitig zum Nachteil, hätte man nie eine Rechtsgrundlage gehabt. Die Verwendbarkeit der Aufzeichnungen ist sowieso an die eingewililgten Zwecke gebunden.
Insgesamt ist fraglich, ob sich systematisch Verbesserungen erzielen lassen. Weil die Gespräche wohl keine Daten im erwarteten Rahmen generieren (dürfen). Das Vorhaben kann zu Mißstimmung führen.
D., der nur Möglichkeiten sieht, wenn man die Führungskräfte gut vorbereitet und die Betroffenen fair ins Boot holt. Und bereit ist, solche Gespräche bei Konflikten sofort abzubrechen.
meiner Meinung nach befinden wir uns hier im § 167 Absatz 2 SGB IX.
" (2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). …"
Mit dem hervorgehobenen Teilsatz schließt demnach die “nicht schwerbehinderten Menschen” mit ein. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind die Fehlzeitenauswertung erforderlich, also Artikel 6 Absatz 1 lit. c) DSGVO. Wie dies jeweils organisiert wird, ist wahrscheinlich von der Größe des Betriebs/ Dienststelle abhängig. Wir haben einen BEM-Beauftragten, der die Fehlzeiten von der Personalabteilung erhält. Alle weiteren Aspekte sind in unserer Dienstvereinbarung geregelt, wie unter anderem die Einwilligung/ Zustimmung des Betroffenen usw… Ich als DSB wurde in das Verfahren mit einbezogen.