Hallo, hat jemand von euch schon eine Meinung zu § 9b SGB VIII? Möchte (Muss) schon archivieren, bevor der im Gesetz vorgesehene Ausschuss sich äußert?
Also dass neuerdings freie Träger der Jugendhilfe ihre Akten bis zum 100sten Geburtstag der betroffenen Person aufbewahren müssen; zur Einsichtnahme und Aufarbeitung möglicher Fälle von Kindeswohlgefährdung.
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__9b.html
Passt nicht ganz zur Standard-Datenauskunft (Art. 15 DSGVO); ist auch nicht wirklich vergleichbar mit dem Einsichtsrecht in die Behandlungsakte (§ 630g BGB).
Mir ging es erst mal darum, ob freie Träger überhaupt eine “Sozialakte” haben. (Haben sie, nach Ansicht eines beauftragenden Jugendamts.)
Man könnte sagen, dass die vollständige(re) Akte beim Jugendamt liegt, das Mitteilungen verschiedener Träger zur Person zusammenführen kann. Als Behörde kann es sowas auch viel besser aufbewahren. Doch es wird ja nicht immer Kindeswohlgefährdung gemeldet, wenn die Anhaltspunkte nicht deutlich genug sind; und dann ist dieser Anfangsverdacht und seine Bearbeitung nur beim freien Träger dokumentiert. Bis vor kurzem wurde das nach… sagen wir 2 /4 /10 Jahren gelöscht. (Die 10-Jahres-Empfehlungen der Landesjugendhilfeverbände richteten sich nur an die Aufbewahrung im Jugendamt.) Bzw. der Träger hatte keinen Verdacht festgestellt und die Person findet dennoch relevante Feststellungen in der Akte, die ihr Gesamtbild ergänzen; auch entkräften können.
Was gehört jetzt in den so lange aufzubewahrenden Aktenteil des freien Trägers? Alles? Könnte bei zusätzlichem Wissen relevant werden, so dass nicht der Träger entscheiden sollte, was dazu gehört.
Bei dieser 100-Jahre-Anforderung für “Alles” sträube ich mich ein bisschen, weil es die Einhaltbarkeit der Datenschutz-Grundsätze arg strapaziert. (Zum Vergleich sind bei Schulzeugnissen, Strahlenbehandlung oder Umgang mit radioaktivem Material nur bestimmte Nachweise eine so lange Frist aufzubewahren.) Mit jedem zusätzlichem Tag wären die umfangreichen sensiblen Daten Schutzverletzungen ausgesetzt. Reduzierte Akten würden besondere Schutzmaßnahmen verlangen; vollständige umso mehr.
Geht schon mit der Wiederauffindbarkeit los. Bisher verlieren sich die Spuren der Person, wenn der Träger seine Daten zum Fall löscht, nach Auftragsende oder maximal nach 10 Jahren. Nun muss aber bis zu 100 Jahre lang ein Verzeichnis der betreuten Personen geführt werden. Bereits der Zusammenhang mit einer Jugendhilfemaßnahme ist sensibel. Je nach Träger und dessen fachlicher Ausrichtung kann das Vorkommen in dieser Liste etwas Konkretes zum Problemfeld aussagen und als solches schweigepflichtig sein. D. h. die Liste dürfte nur von den Geheimnisträgern oder deren (auf ewig weiterbetrauten) berufsmäßig tätigen Gehilfen eingesehen werden.
Verlässt dieses Personal den Träger, gilt seine Schweigepflicht fort (ist weiter persönlich von Strafe bedroht). Prinzipiell kein Problem, weil die Betroffenen selbst ja ihre eigenen Geheimnnisse kennen dürfen. Doch nicht wenn in der Akte auch Geheimnisse anderer Personen stehen. Bzw. wenn die Einsichtnahme der Akte durch qualifiziertes Personal zu erläutern ist. Falls der Träger seine Tätigkeit einstellt, müsste er erst mal solches Personal finden beauftragen. Bzw. die Akte bei einem Treuhänder lagern lassen. (Jugendamt?) Die eröffenenden Personen sind wahrscheinlich zunächst Unbefugte; d. h. mit der Antragstellung müssten die ursprünglichen Geheimnisträger (evtl. in Unkenntnis) diesen gegenüber von ihrer Schweigepflicht entbunden werden.
D., der sich so seine Gedanken gemacht hat. Und jetzt seid ihr dran!