Hintereingang videoüberwachen

Hallo zusammmen,

ich diskutiere hier gerade mit Kollegen zu folgendem Problem: Ein Schwimmbad hat ein Hintereingang, dieser wird nur von Mitarbeitern und angemeldeten Vereinen benutzt. Der Hintereingang liegt nicht im Sichtbereich des Haupteingangs oder des Kassenbereichs. Somit sieht kein Mitarbeiter was am Hintereingang vor sich geht. Der Schwimmbadbetreiber möchte nun den Eingang videoüberwachen mit der Begründung, dass es als “verlängeres” Auge dient und der Mitarbeiter an der Kasse im Hauptbereich sieht was am Hintereingang vor sich geht. Die Aufnahme wird außerdem 72h gespeichert. Ich würde dem Betreiber aus meiner Sicht zustimmen und mit dem entsprechenden Informatiosnschild als konform betrachten. Mein Kollege ist da anderer Meinung und sieht keinen Grund oder Zweck den bereich zu überwachen. Hat einer von euch schon mal so eine Situation gehabt und kann seine Erfahrungen teilen? oder wie würdet ihr das einschätzen?

Danke im Voraus.

Hallo Blubmann und herzlich willkommen.

Eigene Erfahrungen kann ich zu der geschilderten Konstellation nicht beisteuern, aber diese Veröffentlichungen könnten bei der Einschätzung helfen:

Die DSK hat eine Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen (17.07.2020) veröffentlicht.

https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/oh/20200903_oh_vü_dsk.pdf

Speziell für Schwimmbäder gibt es eine (ältere) Ergänzung (primär für den Badebetrieb):

https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/submenu_Datenschutzrecht/Inhalt/Videoueberwachung/Inhalt/Orientierungshilfe-der-Datenschutzkonferenz-zur-Videoueberwachung-in-Schwimmbaedern/OH-Videoueberwachung-Schwimmbaeder.pdf

Das Argument des “verlängerten Auges” würde nur für die Beobachtung gelten. Die Speicherung der anfallenden Daten ist zusätzlich zu prüfen.
Meine erste Einschätzung sieht die Zulässigkeit eher fraglich. Es müssten schon konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, warum gerade der Bereich beobachtet werden soll und die anfallende Daten gespeichert werden.

Sehe das auch eher kritisch. Ist der Hintereingang nicht abschließbar, was man sicher als milderes Mittel in Betracht ziehen sollte!? Gab es bereits (strafrechtlich) relevante Vorfälle, die eine Überwachung begründen könnten?

Noch schnell 2 Fundstellen zu den Kriterien:

  1. zu dem verlängerten Auge: 21. Tätigkeitsbericht Brandenburg, S. 19 (Zahnarztpraxis)

  2. ziemlich aktuell zum Thema Videoüberwachung: 39. Tätigkeitsbericht Shleswig-Holstein, S. 77 (Solebecken im Schwimmbad) und etwas vorher mit allgemeiner Argumentation.

Es ist eine Zutrittsüberwachung, ok. Wieso erfordert die eine Video-Aufzeichnung (verlängertes Auge ist es eben nicht) ? Ist die Schließanlage defekt?

Bezüglich Videoaufzeichnungen habe ich gerade mit der folgenden Fragestellung zu kämpfen:

Aufgrund des berechtigten Interesses soll die Speicherung von Videoaufnahmen erfolgen. Ist die Verarbeitung zulässig, muss natürlich auch die Verfügbarkeit garantiert werden, sprich, ein Backup muss (müsste) erfolgen.

Spricht es dann gegen eine ordentliche Interessenabwägung (insb. bei der Frage Aufzeichnung ja/nein), wenn sich der Verantwortliche gegen ein Backup der Videoaufzeichnungen ausspricht, im Sinne von “so wichtig ist es nicht, auch noch eine Backup-Infrastruktur für die Videoserver anzulegen”? Anekdotisch ist es sicherlich gar nicht so unwahrscheinlich, auf Videoaufzeichnungen zugreifen zu wollen, welche aufgrund eines Ausfalls nicht vorhanden sind.

In Kurzform: kann man sich auf Art. 6 Abs. 1 f) berufen, aber kein Backup vorhalten, oder ist die Videoüberwachung hier ein Spezialfall, weil man ggf. nur sehr “selten” auf Videoaufnahmen zugreift und somit ein fehlendes Backup “gefühlt” nicht ins Gewicht fällt? Oder ist ein fehlendes Backup bei Videoaufzeichnungen ein vergleichsweise objektives Zeichen dafür, dass die Interessenabwägung der Videoaufzeichnung ggf. unzulässig vorgenommen wurde?

“Backup” ist ja nirgends konkret vorgeschrieben. Das zugrunde liegende Ziel, die Integrität und Verfügbarkeit der Daten zu gewährleisten kann auch anders erreicht werden.

Wichtig ist nur, dass die jeweiligen Maßnahmen in Anbetracht “der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken” geeignet(!) sind (Art. 24 Abs. 1 DSGVO). Je äh… geeignetster, desto besser.

Ist die Speicherung zuverlässig genug (vor technischem Ausfall, aber auch gegen unbefugte Zugriffe /Änderungen, Diebstahl usw. ) geschützt? Z. B. zuverlässiger Datenträger, erfahrungsgemäß verfügbar, Zugriffe geschützt und protokolliert. Erst wenn das nicht gut aussieht, müsste man die Schwachstellen ausgleichen, z. B. mit Backups.

D., der zuerst dachte es sollte eine Rechtsgrundlage gefunden werden, Daten nicht zu verartbeiten.

Vom BSI gibt es ein Common Criteria Protection Profile für Software zur Verarbeitung von personenbezogenen Bilddaten. Darin wird zur Frage der Backups zwischen Backup für die Bilddaten und Backup für die Log-Daten unterschieden.
Das BSI empfiehlt für die Bilddaten kein Backup vorzusehen, weil dabei die Gefahr besteht die zulässigen Aufbewahrungsfristen für Bilddaten (nach den Aufsichtsbehörden in der Regel 72 Stunden) zu umgehen.
Für die Log-Daten (z.B. wer hat sich wann welche Bilddaten angesehen, Bilddaten aus dem Videoüberwachungssystem exportiert, Zulassungen zum Videoüberwachungssystem verändert, Einstellungsänderungen am Videoüberwachungssystem, Logs zum entfernen und anschließen von Kameras) wird ein Backup vom BSI vorgesehen.

In der Presseerklärung von Dr. Lutz Hasse, Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 30.01.2020 ist die nicht gegebene Vereinbarkeit gut beschrieben. Zitat:

Die Leitlinie betont den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das berechtigte Interesse des Kamerabetreibers muss objektiv vorliegen, das heißt, dass bei einer Videoüberwachung aus Sicherheitsgründen stets auch tatsächliche Inhaltspunkte für eine Gefahr für Leib, Leben oder Sachgüter vorliegen muss. Die Leitlinie stellt klar, dass ein rein subjektives Unsicherheitsgefühl nicht genügt, um eine Videoüberwachung zu rechtfertigen.

Und wenn der Hintereingang nicht nur von Personal, sondern auch Vereinen mit Kindern genutzt wird, ist die “Latte” höher gelegt, da personenbezogene Daten von Kindern besonders schützenswert sind. (Erw.38 DS-GV). Wenn also keine Gefahr für Leib, Leben oder Sachgüter gegeben ist, würde ich auf eine Videoüberwachung lieber verzichten.

Ich sehe bei der Stufe 1 - das berechtigte Interesse des Verantwortlichen noch nicht und auch nicht konkreten Zweck, der erreicht werden soll. Ggf. soll das auch genutzt werden, um eine Kontrolle der Beschäftigten im Bereich Arbeitszeit auszuüben. Für jede zu installierende Kamera ist der Zweck darzustellen. Der Zweck pro Kamera muss in der gesamten Umsetzung konsequent umgesetzt werden (Bildausschnitt, Dauer, Speicherdauer etc.). Welche konkreten Sachverhalte liegen vor, die eine Videoüberwachung der Beschäftigten rechtfertigen? Ist denn etwas vorgefallen? Sachbeschädigung, unbefugter Zutritt, Diebstahl, Arbeitszeitmissbrauch, offene Türen mit Keilen? Eine prophylaktische Installation wird überwiegend von Aufsichtsbehörden verneint. Also hier muss der Zweck genau festgelegt werden, der dann auch erreicht und eingehalten werden muss.

Auch muss bei der Stufe 2 - Erforderlichkeit der Videoüberwachung - und vorherige Prüfung milderer gleich wirksamer Mittel aus den Angaben gewissenhaft ausgearbeitet werden. Wie bereits erwähnt, gibt es meist mildere Mittel - mir ist unklar, was eigentlich erreicht werden soll.

Bei der Interessenabwägung sind u.a. die Punkte Datenkategorien, Umfang der Datenverarbeitung , Kreis der Betroffenen (bspw. besonders schutzbedürftige Personen), vernünftige Erwartung der betroffenen Personen und Vorhersehbarkeit / Transparenz, Interventionsmöglichkeiten der betroffenen Personen, Verkettung von Daten, Beteiligte Akteure/Empfänger, Dauer der Beobachtung / Verarbeitung und die TOM einzubeziehen und aus Betroffenensicht einzuschätzen.

Dann kommt das Fazit des Verantwortlichen, der DSB sollte dann seine Einschätzung ergänzen. Insgesamt ist Videoüberwachung immer mit viel Arbeit verbunden. Eine belastbare dreistufige Interessenabwägung sollte immer dokumentiert werden. Als DSB sollte man bei Zweifeln auch sagen, dass die berechtigten Interessen des Unternehmens und der Betroffenen nicht ausgewogen sind und - sofern möglich - mildere Mittel oder ergänzende Maßnahmen vorschlagen, um die Eintrittswahrscheinlichkeit von Audits oder Höhe von Geldbussen zu reduzieren.