Behördenübergreifende Datensicherheit, ärztliche Schweigepflicht und Schwerbehinderung

Hallo,

um einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen, werden beim Versorgungsamt die Gesundheitsdaten gespeichert.

Wird das Amt den beteiligten Ärzte alle Patientendaten mitteilen, auch wenn sie nicht in sein Fachgebiet fallen?

Welche anderen Behörden könnten vom Versorgungsamt welche Daten abfragen?
Bzw. mit welchen Ämtern teilt das Versorgungsamt die Daten?

Wie müsste man es im Antrag formulieren, damit das (jetzt und auch in Zukunft) verhindert oder zumindest eingeschränkt wird?

Vielen Dank im Voraus.

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Sind die kompetentesten Ansprechpartner/innen in diesem Fall die Sachbearbeiter/innen vom Versorgungsamt? Ich räume ein, das ist nicht die Beantwortung deiner Frage.
Nach meinem Empfinden wäre die Anfrage an das Amt aber tatsächlich der einfachste Lösungsansatz und kann nicht mit individuellen Erfahrungen oder Internetrecherche konkurrieren: Du möchtest ja sicher wissen, wie es bei einem konkreten Amt tatsächlich läuft.
Der positive Nebeneffekt (außer einer Antwort aus erster Hand): wenn möglichst viele Menschen solche Nachfragen unmittelbar beim Amt stellen, dann tun sie vielleicht auch etwas in Sachen Transparenz.

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Genau.

Wird…? - Versorgungsamt fragen.

Welche…? Versorgungsamt fragen.

Diese Informationen über Zwecke,Rechtsgrundlagen, Datenempfänger und Betroffenenrechte wie das Widerspruchsrecht müssten mehr oder weniger ausführlich bei der Datenerhebung erteilt werden (Art. 13, 14 DSGVO). Ebenso bei einem Antrag auf Auskunft (Art. 15 DSGVO); obwohl erst dann eine inhaltliche Auskunft zu erteilen ist, wenn bereits Daten der betroffenen Person verarbeitet werden; nicht etwa schon vorab.

Wie…? - Wenn man daraufhin genauer wüsste, was mit den Daten passieren kann, dem Amt gegenüber konkreten Verarbeitungen, bestimmten Übermittlungen an Dritte usw. unter Angabe von Gründen widersprechen. Auf Art. 21 DSGVO verweisen. Dann kann das Amt allerdings immer noch “zwingende Gründe” anführen, aufgrund derer es die Daten trotz Widerspruch verarbeiten darf (Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO).

D., der wenig Luft sieht, dass Widersprüche zwangsläufig umgesetzt werden müssen. Die Behörde dürfte wegen ihrer gesetzlichen Vorgaben selten davon abweichen. Allenfalls in nachvollziehbaren Einzelfällen, wenn die Verarbeitung absehbare Nachteile brächte.

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Im Rahmen der Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises werden eventuell Daten an Dritte weitergegeben, wenn dies im Rahmen des Antragsverfahrens notwendig ist, z.B. an externe Gutachter zur medizinischen Beurteilung oder an einen externen Dienstleister zum Druck des Ausweises.

Dies sollte in der entsprechenden Datenschutzinformation stehen, die man bei der Antragstellung erhält (wie Domasla schon schrieb).

Es gibt Versorgungsämter, bei denen solche Informationen bereits beim Online-Antrag auf der Internetseite hinterlegt sind.
Ein Widerspruch ist hier vermutlich wegen gesetzlicher Vorgaben sinnlos, nur eine evtl. gegebene Einwilligung kann dann widerrufen werden. Einige Daten werden für die Antragsbearbeitung benötigt, hier wäre ein Widerspruch auch nicht zielführend.

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Danke. Wir leben ja in einer Zeit, wo “ein Knopfdruck” alles nur mögliche miteinander zu verbinden. Wenn dies nun “den Sachbearbeitern” überantwortet wird, entstehen vermutlich doch enorme Überforderungen, oder?
Fällt es nicht vielmehr dem Datenschutz zu, solche Fragen ernstzunehmen und alles dafür zu tun, dass sie hinreichend beantwortet werden?!

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Danke. - Aus der “entsprechenden Datenschutzinformation” lassen sich leider keine befriedigenden Antworten ableiten, zumindest nicht für einen Laien.
Daher die Fragen ans Expertenforum.

Danke.
“Die zwingenden Gründe”, Daten trotz Widerspruch verarbeiten zu dürfen, machen öffentliche Offenbarungen wie einen solchen Antrag doch zu einem Balnceakt, oder?

Die Sachbearbeiter dürfen Daten nicht beliebig verarbeiten, sondern nur auf “Weisung” des “Verantwortlichen”. Die Behörde als verantwortliche Stelle muss intern vorgeben, was wann zu tun ist.

“Der Verantwortliche” muss seine Verarbeitungen so gestalten, dass die Anforderungen des Datenschutzes erfüllt sind. Zunächst die Grundsätze (Art. 5 DSGVO, und dann Spezialvorschriften wie (oft als Umsetzung bestimmter Grundsätze) Rechtmäßigkeit, Transparenz, Betroffenenrechte, Sicherheit, Auftragsverarbeitung, Drittlandübermittlung.

D., d. …

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Kinoia, es wird nicht den Sachbearbeiterinnen “überantwortet”, sondern es ist deren ureigene Aufgabe, bei der Arbeit die geltenden Gesetze einzuhalten. Das trifft auf Behörden in besonderem Maße zu, weil Behörden mit gutem Beispiel vorausgehen sollten. Und zu diesen Gesetzen gehören auch die Datenschutzgesetze.

Ich habe selbst viele Jahre in der Sachbearbeitung einer Behörde gerabeitet. Und gerade aus der Perspektive finde ich, dass Bürger/innen erwarten dürfen, dass ich nicht “einfach irgendwas mit den Daten anderer Leute” mache, ohne dass ich in der Lage bin, ihnen zu erklären, was ich da überhaupt tue.
Es gehört zu meiner Arbeit, dass ich das weiß. Das ist wichtig, damit ich einerseits schnell und effektiv arbeite und andererseits andere nicht aus Unbedachtheit schädige. Denn gerade dann, wenn ich in der öffentlichen Verwaltung tätig bin, habe ich eine besondere Verpflichtung gegenüber den Betroffenen.
Nach meiner Überzeugung ist es völlig in Ordnung, wenn die Betroffenen nachfragen. Es geht um sie.

Anders als beispielsweise bei Restaurants, können die Bürgerinnen und Bürger nicht auswählen, bei welcher Behörde sie den Service am besten finden, sondern sie müssen sich an die “zuständige Stelle” wenden.

Wenn sich nun ein Sachbearbeiter oder eine Sachbearbeiterin nicht auskennt oder überfordert ist (Grund egal), halte ich die Nachfrage bei der Stelle, die es wissen MUSS, trotzdem für angemessen.
Es geht um zuverlässige Informationen aus erster Hand.

An dieser Stelle ist der Verantwortliche im Sinne der DSGVO gefordert - egal, ob er jetzt “CEO” oder “Behördenleitung” heißt. Es ist seine Aufgabe, im Rahmen seiner Führungs- und Organisationskompetenz Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, “solche Fragen ernstzunehmen und alles dafür zu tun, dass sie hinreichend beantwortet werden”.

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Vielen Dank für die bisherigen Beiträge.
Angesichts der von der Politik gerade sehr zur Schau gestellten Datensammelwut zögere ich jedoch weiterhin.
Bleibt wirklich nichts anderes übrig, als beim Amt nachzufragen - und dadurch auffällig zu werden?
Lässt sich nicht zumindest klärten, wie man es im Antrag formulieren müsste, damit meine obigen Bedenken mit größtmöglicher Sicherheit verhindert oder zumindest eingeschränkt werden?

Erst fragen, dann evtl. bestimmten Punkten widersprechen. (Wenn es überhaupt nötig wäre.)

Ein allgemeiner Widerspruch gegen die Verarbeitung ist komplett aussichtslos (außer bei Direktwerbung oder Profiling, was hier nicht vorliegt).

Um einer Verarbeitung auf Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO zu widersprechen (zur Wahrnehmung einer Aufgabe in öffentlichem Interesse erforderlich), müsste man seine individuellen Gründe gegen die Verarbeitung nennen. Sonst kann die verantwortliche Stelle nicht prüfen, ob diese Gründe gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen würden.

D., der nicht damit rechnet, dass die Datensammelwut sofort in allen Behörden ankommt. Da ist es wahrscheinlicher, dass eine solche Stelle unüberlegt etwas falsch macht, weil man das schon immer so macht, sich aber inzwischen die Realität, die Technik, die Vorschrift etc. geändert hat.

Bei mir kommt jetzt Folgendes an: Du bist selbst betroffen und befürchtest Nachteile, wenn du kritisch nachfragst, möchtest aber an die Information kommen, “ohne dass es später in deiner Akte stehst”.

Die datenschutzrechtliche Seite haben die Kolleg/innen in diesem Forum bereits gewissenhaft behandelt.

Rein praktisch gedacht bieten sich noch folgende Optionen:

  • Telefonische Auskünfte zu allgemeinen Verfahrensfragen wie du sie in deinem Beitrag gestellt hast (= ohne konkreten Personenbezug) beantworten einige Behörden auch serviceorientiert am Telefon.
  • Andere Möglichkeit: DSB der Behörde anrufen und vorab fragen, ob er/sie dein Anliegen vertraulich behandelt, wenn du eine Anfrage schickst. Abhängig von der Antwort entscheiden.
  • Möglichkeit Nummer 3: An einen Sozialverband wenden, der Beratung zu Schwerbehindertenabgelegeheiten im Programm hat.
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Danke.
Telefonische Auskünfte sind ja leider nicht verbindlich.
Der Sozialverband, der hier in Frage käme, verlangt die Mitgliedschaft, um überhaupt zu entscheiden, ob er weiterhelfen kann.
Ich hatte gemeint, in dem Forum hier auch Kontakt zum DSB des Bundes zu bekommen. Der müsste doch eigentlich hier mit reagieren? - Oder was sind seine Aufgaben? Bzw. wofür ist er da? …

Das Versorgungsamt arbeitet nach dem SGB. Speziell SGB IX. Nach dem allgemeinen Teil in § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X darf es Daten an alle anderen Sozialversicherungsträger und ähnlichen Stellen, die in § 35 SGB I aufgelistet sind, übermitteln und ggf. vorrangig nach SGB IX. Die Datenerhebung bei anderen Stellen geht nach § 67 a SGB X und ggf. Normen vorrangig nach SGB IX.
D.h. der Datenaustausch mit gesetzlicher KV, RV, UV dürfte relativ einfach und ohne Einwilligung ablaufen.
Aber ohne Gewähr!
Ich empfehle Anfrage beim DSB des Versorgungsamtes.

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Nur als Ergänzung zu den zutreffenden Ausführungen von @iDSB - die Datenverarbeitung im Bereich der Sozialleistungsträger richtet sich vorrangig nach den Vorschriften zum Schutz der Sozialdaten, welche insbesondere im 2. Buch SGB X (§§ 67ff SGB X) zu finden sind. Diese gehen den Regelungen der DSGVO vor.

Der Sozialleistungsträger darf Sozialdaten insbesondere nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X übermitteln, sofern dies erforderlich ist

  1. für die Erfüllung eigener Zwecke, für welche die Daten erhoben wurden (z.B. Übermittlung an einen von Sozialleistungsträger als Gutachter beauftragten Arzt, um die beantragte Leistung feststellen zu können);
  2. für die Erfüllung einer anderen - eigenen - gesetzlichen Aufgabe (z.B. Durchsetzung von Regressansprüchen gegen Dritte) oder
  3. für die Erfüllung gesetzliche Aufgaben eines Dritten, sofern dieser eine in § 35 SGB I genannte Stelle ist (z.B. Übermittlung an einen RV-Träger, bei dem ein Antrag wegen Erwerbsminderungsrente läuft).

Diese Übermittlungen erfolgen aufgrund einer gesetzlichen Grundlage und damit ohne gesonderte Einwilligung.

Bei der Übermittlung von medizinischen Befunden (Gesundheitsdaten) ist daneben allerdings zusätzlich die Einschränkung des § 76 SGB X zu beachten. Hier besteht tatsächlich ein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung entsprechender Daten.

Wer aber Sozialleistungen beantragt - hierzu gehört im Beispiel von @kinoia auch die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises - hat auch gesetzlich normierte Mitwirkungspflichten. Hierzu gehört auch die Verpflichtung, alle für die Leistungsfeststellung wesentlichen Tatsachen anzugeben bzw. auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Wer seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und hierdurch die Leistungsfeststellung erschwert oder unmöglich macht, muss die Folgen der fehlenden Mitwirkung tragen (§ 66 SGB I).

Fazit - Wer im Zusammenspiel mit den Sozialleistungsträgern von seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch mach, muss immer auch damit rechnen, dass ihm Leistungen versagt werden.

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Wie steht es aber mit einem Paragraphen wie 335 SGB V in der Fassung des PDSG (" Die Versicherten dürfen nicht bevorzugt oder benachteiligt werden, weil sie einen Zugriff auf Daten in einer Anwendung nach § 334 Absatz 1 Satz 2 bewirkt oder verweigert haben"?
Es müsste Vergleichbares doch auch im Zusammenhang mit der Beantragung eines Schwerbehindertenausweisses geben?

Wenn Beantragende keine Auskünfte erteilen (lassen) dann kann nicht beurteilt werden. Das wär ja auch lustig, wenns anders wäre. Dann könnte man die Speicherung von Prüfungsergebnissen verbieten und zack hat man den Führerschein :grin: :cold_face: , Speicherung von Schulnoten verweigern, zack Abitur…
Ich habe zwar noch nie das Arztschreiben der Landesämter gesehen aber darüber was bei wem abgefragt wird hat man doch in der Hand.
Man gibt beim Hausarzt an welche Unterlagen da liegen und das gleiche macht man mit den Fachärzten. Zusätzlich kreuzt man an dass nur die von einem selbst aufgeführten Erkrankungen Teil des Antrags sind.
Dann erfährt der Hausarzt nichts von der Syphilis die wo anders behandelt wurde.
Die Schweigepflichtentbindung gilt ja auch nur für die im Antrag aufgeführten Erkrankungen/Behinderungen und nicht für die komplette Krankengeschichte.

Das mal ganz Laienhaft bezüglich DSGVO von jemandem der gelegentlich mal bei der Beantragung des GdB unterstützt.

Angesichts der enormen Anzahl möglicher Geschlechter, die neuerdings den Ottonormalverbrauchern zugemutet werden, werden gewiß auch neue Gesundheitsstörungen kreiert, und wie man sie behandeln kann (“Hast du Tripper oder Schanker bist du lange noch kein Kranker”). Das Problem war und ist die Stigmatisierung. Es ist noch nicht lange her, dass Leute auch hierzulande aufgrund ihrer Behinderung bis aufs Blut diskreminiert wurden.
So bleibt immer noch die Frage offen, wie sich das Risiko bereits bei Antragstellung nicht nur minimieren sondern vermeiden lässt. Oder sollen gerade die Schwächsten das größte Vertrauen mobilisieren?

Es gibt keinen anderen Weg, als bei der Behörde selbst zu fragen. Dadurch bekommst du einfach genau die Antworten, die du brauchst.
Eventuell reicht es dir schon eine Alias E-Mail-Adresse einzurichten und die Anfrage auf diesem Weg zu senden? Du hast deinen Fall eingangs ja ziemlich allgemein gehalten, so dass keine Rückschlüsse auf deine Person möglich sind. Das Selbe könntest du mit der Alias-Adresse erreichen. Es kann natürlich trotzdem möglich sein, dass deine Mail im Spam-Ordner landet, weil der Alias schlecht gewählt wurde.
Oder probier es über “Frag den Staat”. Aber da gibt es neben dem Problem mit dem Spam auch das Problem, dass manche Behörden solche Anfragen nicht beantworten wollen, weil das auf der Webseite von “Frag den Staat” veröffetlicht wird.

Man kann es ja mal über eine Interessensvertretung angehen,
wie etwa den VDK, https://www.vdk.de/deutschland/

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