Erst einmal muss ich meinen unaufmerksamen letzten Beitrag korrigieren. Die geduldigen Erklärungen oben noch einmal, gründlicher zu lesen und die so gut dargestellte Kaskade haben sehr geholfen. Anders als zuletzt von mir in Frage gestellt, zieht ein Widerspruch nach 21 (2) wohl doch in der Regel eine Löschung oder Einschränkung im Sinn der Art. 17 bzw. 18 nach sich. (Das Wesentliche ist schon oben gesagt: „Art.19 bezieht Art. 21 über die Art.16, 17 und 18 ein.“) Der Art. 17 (1) c) nimmt ja sogar ausdrücklich Bezug auf Art. 21 (2). In Fällen, in denen ein Verantwortlicher Adressdaten nur zu Zwecken der Direktwerbung verarbeitet, dürfte Löschung in der Regel die Folge sein.
Zwar steht in Art. 17 nur, dass der Betroffene die Löschung verlangen kann, wenn er widersprochen hat. Andererseits könnte der Teilsatz „und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen“ (dessen Analogon es im Art. 18 nicht gibt) in Verbindung mit lit. c) so zu interpretieren sein, dass der Widerspruch auch eine Löschpflicht ohne ausdrückliches Verlangen des Löschens impliziert. Möchte der Betroffene also die Löschung vermeiden, ist es wohl das Beste, er wünscht ausdrücklich keine Löschung. Die Einschränkung der Verarbeitung ist dann möglicherweise nicht mitteilungspflichtig, weil sich die Einschränkung nur auf die Werbung durch den Verantwortlichen bezieht. (Tatsächlich haben aber die meisten Unternehmen in meinem Fall nach meinem Widerspruch Mitteilungen an Empfänger versendet, auch wenn sie die Daten nicht gelöscht, sondern nur gesperrt hatten, und auch wenn ich keine Löschung verlangt hatte.) Wenn nun die Löschung (oder vielleicht doch auch Einschränkung) auf Verlangen des Betroffenen die Mitteilungspflicht des Verantwortlichen an alle Empfänger nach Art. 19 auslöst, wird, wie oben gesagt, aus der rechtskonformen Mitteilung allen Empfängern auch ersichtlich sein, dass der Betroffene eines seiner Rechte ausgeübt hat und welches Verlangen damit verbunden war.
Ein ausdrückliche Regelung, die dem Betroffene Einfluss auf die Mitteilung nach Art. 19 einräumt, findet sich im Gesetz nicht. Ich halte das, wie oben geschrieben, für problematisch und auch für überraschend, denn der Gesetzgeber hat den Art. 19 ja im Abschnitt „Rechte der betroffenen Person“ platziert und lässt die Mitteilungspflicht vor allem nach einem Verlangen des Betroffenen gegenüber dem Verantwortlichen greifen. Ich vermute deshalb, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Art. 19 primär dem Betroffenen bei der Ausübung seiner Rechte helfen sollte, indem er es ihm erleichtert, bei mehreren Verantwortlichen Berichtigungen, Löschungen und Einschränkungen zu erwirken. Um so merkwürdiger kommt es mir vor, dass von schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht mehr die Rede ist.
Laut folgendem Zitat, auf das ich hingewiesen wurde, nehmen manche Autoren wohl doch an, dass bei für den Betroffenen nachteiligen Mitteilungen keine Mitteilungspflicht des Verantwortlichen besteht: „Str. ist, ob die Mitteilungspflicht auch dann besteht, wenn diese für die betroffene Person nachteilig ist (eine Ausnahme wegen des eindeutigen Wortlautes ablehnend Pohle/Spittka in Taeger/Gabel DS-GVO Art. 16 Rn. 8; ähnlich Herbst in Kühling/Buchner DS-GVO Art. 19 Rn. 11, allenfalls eine inhaltliche Beschränkung nach dem Grundsatz der Datenminimierung anerkennend; demgegenüber einen Ausschluss bei überwiegenden Interessen der betroffenen Person bejahend Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr DS-GVO Art. 19 Rn. 23; ähnlich Gola in Gola DS-GVO Art. 19 Rn. 13, dies sei iRd Vorbehalts des „unverhältnismäßigen Aufwands“ zu berücksichtigen; für einen Ausschluss der Mitteilungspflicht im Wege teleologischer Reduktion des Art. 19 Peuker in HK-DS-GVO Art. 19 Rn. 6).“ (Quelle: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (3. Auflage 2021), Art 19, Rn 13a)
Nach Erhalt der Mitteilung nach Art. 19 müssen nun die Empfänger prüfen, wie sie weiter mit den Daten des Betroffenen zu verfahren haben. Nicht ganz klar ist, wie es weitergeht, wenn ein Empfänger, der seinerseits zuvor Vierten die Daten übermittelt hatte, die Daten nun nach Erhalt der Mitteilung nach Art. 19 löscht oder deren Verarbeitung einschränkt. Eine Mitteilungspflicht nach Art. 19 scheidet nach meinem Verständnis aus, weil der Betroffene ja nicht von den Empfängern (Dritten) die Löschung oder Einschränkung verlangt hat und auch nicht ihm gegenüber einen Widerspruch erklärt hat, der möglicherweise die Nicht-Verarbeitung und Löschung nach 17 (1) c) auch ohne ausdrückliches Verlangen auslösen könnte.
Tatsächlich haben ja in meinem Fall Empfänger (Dritte) die Verarbeitung eingestellt und weitere Empfänger benachrichtigt ohne die in der Kaskade dargestellten Schritte des Betroffenen (außer dem ersten Schritt „Widerspruch“). Die Rechtsgrundlage, von der die betreffenden Empfänger für diese Mitteilungen ausgegangen sind, ist mir in den Fällen nicht bekannt. Ich wollte oben sagen, dass diese Rechtsgrundlage in Art. 6 (1) f) bestehen könnte. Denn, so meine Überlegung, weil die Direktwerbung als berechtigtes Interesse anerkannt ist, könnten die Empfänger (Vierten) ein berechtigtes Interesse geltend machen, ihren Werbe-Datenbestand möglichst sauber und frei von den Personen zu halten, die Werbung ablehnen, weil die Empfänger bzw. deren Kunden keine Interesse an solchen unlukrativen Adressaten haben, die vielleicht noch Scherereien machen. Neben dem gewissermaßen weggefallenem berechtigten Interesse an dem Betroffenen als Werbeadressaten könnte auf der andere Seite der Waage noch zusätzlich ins Gewicht fallen, dass der Betroffene anscheinend auch Interesse daran hat von Werbung verschont zu werden.
Zum Thema Aufsichtsbehörden:
In einem konkreten Fall hatte ein Verantwortlicher meine Adresse nach meinem Art. 21(2)-Widerspruch nicht nur bei sich gelöscht, sondern gleich noch in die Sperrdatenbank eines mit ihm verbundenen Dritten eingtragen, der nicht Empfänger gewesen war. Dies, obwohl ich jeder Mitteilung an Dritte in meinem Widerspruch ausdrücklich abgelehnt hatte. Die Rechtsgrundlage, die der Verantwortliche für sein Handeln sah, ist mir unbekannt, vielleicht 6 (1) f) wie oben vermutet. Jedenfalls wurde dies nach Einschalten des LfD und dessen erster Anfrage rasch bereinigt.
Zur Nachberichtspflicht nach Art. 19 schrieb mir der in meinem Bundesland zuständige LfD eher lapidar und ohne nähere Begründung, dass man bei einem Widerspruch dem Verantwortlichen den Empfänger nennen „müsste“, der keine Benachrichtigung erhalten soll, um diese Mitteilung zu unterbinden.
Mein Fazit: Um den Art. 19 möglichst nicht auszulösen, geht man wohl am besten zweistufig vor. Zunächst fordert man nach Art. 15 Auskunft über die Empfänger. Dann widerspricht man mit Art 21 (2), wobei man zunächst Löschung ablehnt und mit Art. 18 (1) b) (?) Einschränkung verlangt und zugleich ausdrücklich darauf hinweist, dass man dies nur vom Verantwortlichen verlangt, nicht von Dritten. Weiterhin teilt man dem Verantwortlichen mit, dass man jegliche Mitteilungen über die Einschränkung an Dritte ablehnt, insbesondere nicht an konkret benannte Empfänger, weil besonders in deren Fall die Mitteilung für einen nachteilig wäre.